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Berufsberatung mal anders – ehemalige Schüler kehren nach Rathenow zurück

MAZ vom 26.01.2023

Einmal im Jahr finden die Hochschulinformationstage (HIT) am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium statt. Ehemalige Schüler aus Rathenow, regionale Firmen und Hochschulvertreter halten Vorträge für die Oberstufenschüler – gut ein Drittel strebt eine Ausbildung an.

Die Psychologiestudentin Lisa Dühring ist für die Informationstage an ihre ehemalige Schule zurückgekehrt. Am Jahngymnasium hält sie einen Vortrag über ihr Studium. Quelle: Franziska von Werder

Die Psychologiestudentin Lisa Dühring ist für die Informationstage an ihre ehemalige Schule zurückgekehrt. Am Jahngymnasium hält sie einen Vortrag über ihr Studium. Quelle: Franziska von Werder

Rathenow. Mit dem Zug ist Lisa Dühring von Berlin-Wilmersdorf nach Rathenow gefahren. „Es hat sich hier gar nicht so viel verändert“, stellt die 24-jährige Psychologiestudentin fest. Am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium hat Lisa Dühring vor sechs Jahren Abitur gemacht. Für einen Tag ist die Studentin an ihre ehemalige Schule zurückgekehrt, um den Oberstufenschülern von ihrem Studium, dem Leben in der Großstadt und beruflichen Optionen zu berichten.

Die Hochschulinformationstage – kurz HIT – haben am Jahngymnasium gute Tradition. Einmal im Jahr tummeln sich auf den Fluren der Schule zwischen den Schülern auch Ehemalige, externe Gäste, Hochschulvertreter und Unternehmen aus der Region herum. Das Ziel: Die Schüler der Jahrgangsstufen zehn und elf sollen sich beruflich orientieren. Oder, wenn sie schon genauere Vorstellungen haben, den Weg zu einem passenden Beruf vertiefen.

96 Referenten halten am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium in Rathenow Vorträge

„Es sind viele ehemalige Schüler dabei, die noch einen guten Kontakt zu ihrer alten Schule haben und sich auch noch sehr verbunden mit ihr fühlen“, so Oberstufenkoordinatorin Karin Lemme. Gemeinsam mit einer siebenköpfigen Arbeitsgruppe organisiert sie die zweitägigen Hochschulinformationstage. Und das ist viel Arbeit. Auf einem Plan stehen die einzelnen Referenten. In diesem Jahr sind es 96.

Von Rathenow nach New York: Ehemaliger Schüler ist Softwareentwickler

Einige davon halten ihre Präsentationen online. So zum Beispiel ein ehemaliger Schüler, der 2003 am Jahngymnasium Abitur gemacht hat. Über Zoom hat der in New York lebende Softwareentwickler den Schülern seinen Beruf nähergebracht. Alle anderen müssen sich anmelden und werden dann zu ihrem Vortragsraum gebracht. In einem Aufenthaltsraum gibt es belegte Brötchen und Getränke.

Auch Lisa Dühring liest von dem Plan ab, wann sie an der Reihe ist. „Ich brenne sehr für mein Fach“, sagt die Psychologiestudentin, „ich hoffe, dass ich die Schülerinnen und Schüler für die Psychologie begeistern kann.“ Erst geht es um allgemeine Dinge. Wie bewirbt man sich überhaupt auf ein Studium, welche Voraussetzungen muss man mitbringen? Wie bemisst sich der NC-Wert?

Ehemalige erklärt den Oberstufenschülern, wie es an der Uni läuft

„Die Psychologie ist ein sehr beliebter Studiengang“, informiert Dühring. So beliebt, dass sich an der Freien Universität Berlin im vergangenen Wintersemester 4374 Bewerber auf 128 Studienplätze beworben haben. „So setzt sich letztendlich der NC eines Faches zusammen“, erklärt die Studentin, „es ist kein festgelegter Wert.“ In Zahlen heißt das: Man braucht einen Abi-Schnitt von 1,0 und muss trotzdem zwei Semester warten. Die Studienplatzvergabe hängt davon ab, wie viele Bewerber es in einem Jahrgang gibt.

Nach dem kurzen Informationsblock geht es endlich ums Fachliche. „Was versteht ihr unter Psychologie?“, fragt Dühring – und schon schnellen die Finger in die Höhe. „Psychische Krankheiten“, sagt ein Junge aus der letzten Reihe. „Es geht darum, den Menschen zu verstehen“, sagt ein Mädchen ganz vorne. Das sei alles richtig, lobt die ehemalige Jahnschülerin die Wortmeldungen der Schüler. Sie hat ihnen Bilder mitgebracht, die mit Psychologie in Verbindung stehen. Da wäre zum Beispiel Sigmund Freud, eine rote Couch, das Abbild eines Gehirns – und ein Computer. „Es geht auch viel um Daten“, sagt die Studentin, „die Psychologie ist sehr mathelastig.“

Rathenower Schülerinnen streben Psychologiestudium an

„Mich hat das gar nicht so sehr abgeschreckt, dass es auch um Mathe geht“, sagt Leonie Klemmer nach dem Vortrag. Das habe die Schülerin vorher schon geahnt, außerdem belege sie ihren Leistungskurs in Mathe. „Ich will unbedingt Psychologie studieren“, sagt die 15-Jährige. Für sie war der Vortrag hilfreich. Denn jetzt hat sie schon genauere Vorstellungen davon, wie sie ihrem Berufswunsch näherkommt.

Absolventin: „Psychologen in allen Lebensbereichen sehr gefragt“

Auch über Möglichkeiten, die man mit einem Psychologiestudium hat, hat Dühring mit den Schülern gesprochen. Psychologen seien in allen Lebensbereichen sehr gefragt. „Man muss nicht unbedingt im klinischen Kontext arbeiten, Psychologen braucht man überall da, wo Menschen zusammenkommen“, erklärt sie den Schülern. Arbeitslos werde man mit einem Psychologiestudium gewiss nicht.

Aber muss es denn immer ein Studium sein? „Überhaupt nicht“, findet Karin Lemme. Seit einigen Jahren erfahre die Schule einen rückläufigen Trend. „Etwa ein Drittel unserer Schüler streben eine Ausbildung an“, sagt sie. Doch oft wissen die Schüler nicht genau, welche Ausbildungsunternehmen es in der Region überhaupt gibt. Auch das sollen die Hochschulinformationstage ändern. So gibt es zum Beispiel ein junges Start-up aus Milow, den Softwareentwickler „dotnet“, der sich bei den Jahnschülern vorstellte.

Ausbildungsbetriebe aus Rathenow und der Region profitieren von der Berufsberatung

„Das ist eine Win-Win-Situation“, sagt Lemme, „die Unternehmen haben zum Glück erkannt, dass es sich lohnt, an Gymnasien zu gehen, um sich zu präsentieren.“ Für viele Berufe sei eine Ausbildung eine gute Voraussetzung. Wer danach doch noch studieren wolle, könne das auch noch, nachdem er eine Lehre gemacht und Berufserfahrung gesammelt habe.

von Franziska von Werder