Rathenow. Wie kommt man nach dem Kino nach Hause oder wie zum Geburtstag der Freundin, die nicht im eigenen Dorf, sondern in Rathenow lebt? Für junge Menschen auf dem Land ist eine gute Busanbindung essenziell, um am kulturelle und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. „Viele meiner Mitschüler verbringen viel Zeit damit, auf den Bus zu warten, weil ihr Dorf nur alle paar Stunden angefahren wird. Und manche können an bestimmten Arbeitsgemeinschaften nicht teilnehmen, weil es dann mit der Anbindung nicht mehr klappt“, erzählt Janina Müller.
Die 16-Jährige wohnt in Premnitz und besucht das Rathenower Jahngymnasium, gemeinsam mit ihrer Freundin Gina Rettke setzt sie sich seit mehr als einem Jahr dafür ein, dass die Busfahrpläne besser an die Bedürfnisse junger Menschen angepasst werden. Der Weg zur Schule ist zwar gesichert, wenngleich die Schüler häufig lange Fahrzeiten und Umwege in Kauf nehmen müssen, um alle Ortschaften zu erreichen. Am Abend und an den Wochenende ist es aber teilweise unmöglich mit dem Bus nach Rathenow oder wieder nach Hause zu kommen, berichten Gina und Janina. Ohne Fahrgemeinschaften und den Einsatz der Eltern sind viele junge Westhavelländer aufgeschmissen.
Eine erste Umfrage ergab einen deutlichen Mehrbedarf
Kennengelernt haben sich die beiden auf dem ersten Rathenower Jugendforum im Dezember 2015. Dabei stand unter anderem das Thema Jugendmobilität ganz oben auf der Agenda. Die beiden Schülerinnen beschlossen damals, sich diesem Problem anzunehmen. Gemeinsam mit Rathenows Jugendkoordinator Tilo Windt starteten sie eine Umfrage an der sich im Sommer 2016 knapp 200 Schüler beteiligten. „Dabei wurde deutlich, dass es einen eindeutigen Mehrbedarf gibt“, erinnert sich Janina Müller.
Die beiden präsentierten ihre Daten der Havelbus Verkehrsgesellschaft und dem Landkreis. „Allerdings waren unsere Ergebnisse für die Busgesellschaft zu ungenau. Die Verantwortlichen erklärten uns, dass sie detailliertere Angaben brauchen, um die Pläne entsprechend anzupassen. Also haben wir gemeinsam mit Tilo Windt einen neuen Fragebogen erarbeitet“, erzählt die 14-Jährige Gina. Dieser liegt nun vor und soll möglichst bald verteilt werden.
Gina und Janina hoffen auf die Unterstützung des Landrats
„Wir wollen dieses Mal alle Schulen anschreiben und um Unterstützung bitten, denn für eine repräsentative Datenerhebung brauchen wir unbedingt eine große Beteiligung“, weiß Janina. Die Schülerinnen wollen dabei auch die Grundschulen einbeziehen und haben deshalb die Fragen so konzipiert, dass selbst Jüngere sie verstehen. Eine Mammutaufgabe wird in jedem Fall die Auswertung, denn diese wird an den beiden Schülerinnen hängen bleiben. „Natürlich würden wir uns freuen, wenn uns jemand dabei unterstützt“, betont Gina. Allzu viel Hoffnung auf Hilfe macht sie sich aber nicht.
„Die zuständigen Mitarbeiter im Landkreis und bei der Busgesellschaft haben uns zwar zugehört, aber wenn wir nicht an dem Thema dran bleiben, wird sich nichts ändern“, sagt Janina Müller. Sie hofft, dass sich der Landrat mit dem Thema auseinandersetzt, denn vor seiner Wahl hatte Roger Lewandowski deutlich gemacht, dass es auf diesem Gebiet tatsächlich Handlungsbedarf gibt. In einer offen Gesprächsrunde mit Jugendlichen im Rathenower Kulturzentrum erklärte er, sich als Landrat dafür einsetzen zu wollen, dass auch für das Westhavelland eine neue Bedarfserhebung durchgeführt wird.
Eine Änderung könnte auch der Generation 60 Plus zugute kommen
Nicht nur auf politischer Ebene kämpfen die beiden Schülerinnen um Aufmerksamkeit. „Zum Teil ist es schon schwer, sich in der eigenen Schule Gehör zu verschaffen. Einige Freunde begrüßen zwar was wir machen, aber niemand will sich einbringen und einige verstehen nicht einmal, warum wir uns diese Arbeit machen“, berichtet Bürgelschülerin Gina. Genau wie ihre Freundin ist sie nicht mehr auf den Bus angewiesen, dennoch wollen sich die beiden weiterhin dafür stark machen, dass sich junge Menschen künftig weniger Gedanken über Busfahrpläne machen müssen.
„Es betrifft einfach sehr viele Jugendliche, deshalb setze ich mich dafür ein und will etwas erreichen“, macht Gina deutlich. Natürlich haben sie sich auch über Alternativen wie Mitfahrgelegenheiten Gedanken gemacht. Diese seien aber wenig praktikabel und dazu auch gefährlich.
Sollten die beiden ihr Ziel erreichen, kommt das am Ende auch älteren Menschen zugute. Denn nicht nur Jugendliche sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Auch die Generation 60 Plus wünscht sich praktikablere Fahrpläne.
Von Christin Schmidt